Unbekanntes Ziel

(Malta) Die Fahrt mit den alten englischen Schulbussen ist immer wieder ein Erlebnis. Es rattert und klappert, die Fensterscheiben klirren, die Türen klemmen, es wird hart abge-bremst, die Kurven rasant genommen. Passieren kann nichts, denn um den Fahrer herum befinden sich mehr Heiligenbilder und Madonnenstatuen als in so mancher Kirche. 


An jeder Haltestelle steigen schwarz gekleidete Personen aller Altersstufen zu. Einige tragen Kühlboxen oder große Taschen. Bald herrscht im Bus Gedränge; an einem Sonntag eher ungewöhnlich.
Am Busbahnhof in Valletta quellen auch aus anderen Linienbussen feine Leute, manche begrüßen sich, marschieren in Grüppchen in die Stadt. Da dies auch meine Richtung ist, schließe ich mich an.
Plötzlich biegen sie links in eine Gasse ab, verschwinden durch ein hohes Tor in einem Gebäude. Ich schaue mich nach Ankündigungsplakaten um, finde aber keine. Auf der Suche nach einem Hinweisschild am Eingang überlässt mir eine gerade ankommende Großfamilie mit eindeutigen Handzeichen den Vortritt. Über einige Treppenstufen und durch eine weitere Tür gelange ich in eine riesige schmucklose Halle. Links der Vorhang einer Bühne, rechts eine Galerie, an den Breitseiten Getränkeausgaben und Garderobe, im Raum – wie in einem Festzelt – lange Reihen Holztische und -bänke.
Die schon zahlreich anwesenden Besucher schwatzen, verteilen Pappteller und Besteck, breiten die mitgebrachten Speisen vor sich aus und holen sich an den Theken etwas zu trinken. Ich genehmige mir eine Cola und steige die lange Holztreppe zur Galerie hinauf. Von hier habe ich einen guten Überblick. Kinder toben durch die Halle, die Erwachsenen unterhalten sich lautstark, auch über die Reihen hinweg. Man scheint sich zu kennen.
Bin ich in eine Familienfeier geraten? Oder warten die Besucher auf etwas? Einen Gottesdienst am frühen Nachmittag? Eine Wahlrede? Kindertheater? Aber dafür nimmt man doch keine eigene Verpflegung mit.
Männer laufen jetzt durch die Reihen, kassieren, reißen von einem Block Papierchen, die sie verteilen. Also doch eine Veranstaltung, für die Eintritt zu zahlen ist. Aber warum hat man den nicht bereits am Eingang erhoben? Das wäre doch einfacher gewesen. Essensmärkchen können es nicht sein, eine Wahl kostet nichts, und für Lieder- oder Begleittexte sind die Zettel eindeutig zu klein.
Eine Durchsage, dass es in zehn Minuten losgehen wird. Aber was?
Als sich der Vorhang teilt, haben sich alle brav auf ihren Plätzen niedergelassen. Auf der Bühne sitzt ein Mann an einem Tisch, auf dem eine durchsichtige Plastikkugel thront.
Und? Haben Sie eine Ahnung, was hier gleich stattfinden wird? Bingo!

aus: Eine Kuh kommt selten allein